Innen Anfänger – außen Experte

Ein Beitrag von Stefanie, Lehrerin und Mentorin für die Fächer Spanisch und Geschichte in Berlin

Der widersprüchliche Status des Refis und seine Vorteile

Blutiger Anfänger in der eigenen Wahrnehmung, lernende(r) LehramtsanwärterIN in denen der KollegINNen. Warum in dem scheinbaren Widerspruch viel Potential liegt- ein paar positive Gedanken einer glücklichen Überlebenden des Referendariatsdschungels!

Sorge 1: Ich fühl mich fachlich und didaktisch nicht vorbereitet
Sehr gut! Dann geht es dir wie 99% aller ReferendarInnen und dir ist bewusst, dass du ganz am Anfang stehst. Mit Überheblichkeit davon auszugehen, du hättest ohne jahrelange Praxiserfahrung bereits die gleiche Expertise wie ältere KollegInnen wäre definitiv ein Irrglaube. Jedem Kollegen und jeder Kollegin ist das bewusst, denn sie selbst waren bereits in der Situation und arbeiten seit Jahren mit jungen ReferendarInnen zusammen.

TIPP:
Anstatt die Lehramtsausbildung an den Unis zu verteufeln und in Selbstzweifeln zu verfallen, solltest du dir der Tatsache einfach bewusst sein, dass der Praxisstart viele Unsicherheiten bedeutet und dir deiner Wissenslücken und deines Unterstützungsbedarfes klar werden. Du musst nicht den gesamten Stoff bereits verinnerlicht haben, noch auf jede Frage eine Antwort wissen. Wichtig ist, dir vor Beginn der Unterrichtsreihe die notwendigen Informationen zu beschaffen und dich ausreichend einzulesen. Auch KollegInnen mit jahrelanger Erfahrung haben nicht alles Wissen enzyklopädieartig gespeichert, sie haben den Stoff lediglich bereits mehrfach unterrichtet und ggf. wieder aufgefrischt. Wichtig ist nur, diese Aufgabe ernst zu nehmen und dich fachlich soweit einzulesen, dass du in der Lage bist, das notwendige Wissen kompetent zu vermitteln. Solltest du trotz guter Vorbereitung nicht auf jede Frage eine Antwort wissen, steh dazu und bleib authentisch. Denn auch für SchülerInnen bist du kein Lexikon oder Wörterbuch und der Verweis darauf mit einem Lächeln löst auch so manches Problem.

Sorge 2: Wie sehen mich KollegINNen nach ersten Praxispleiten?
Du hast viel Zeit in die Planung gesteckt und doch geht alles schief: Ein vielversprechender bus stop zur Differenzierung des Lerntempos und plötzlich kommt der Bus für eine Gruppe nicht. Und auch der Rest der Stunde läuft dann ebenfalls alles andere als rund. Das wäre alles nur halb so schlimm, wenn der erfahrene Kollege/die erfahrene Kollegin nicht mit im Klassenraum gesessen hätte und Teil deiner gefühlten Inkompetenz geworden wäre.

TIPP:
Die Situation kennt jede/r AnfängerIn und kann manchmal frustrierend sein, ist aber Teil des Lernprozesses und eine gute Möglichkeit, von den Erfahrungen Anderer zu lernen. Nutze deine Hospistunden und den Unterricht unter Anleitung, um die praktische Durchführung verschiedener Methoden, Ideen und Arbeitsformen zu beobachten und die Schwachstellen deiner Planung zu identifizieren. Welche Schritte wurden ritualisiert und welche Informationen am Anfang sorgten dafür, dass die Planung gelang? Als ReferendarIn bist du in der komfortablen Situation, KollegInnen über ihre Schultern schauen zu können und ganz viel Input und Feedback zu eigenen Stunden zu bekommen. Und auch SchülerInnen wissen meist ganz genau, wo der Knackpunkt lag.

Sorge 3: In der Nachbesprechung hagelt es nur Kritik
Die Einen sind glücklich mit der Wahl ihres Fach(seminar-)leiters, die Anderen eher weniger. Dennoch kennt jeder die Situation, wochenlang die Feinplanung für seine Paradestunde perfektioniert zu haben und am Ende der Nachbesprechung festzustellen, dass jeder Glanz den Selbstzweifeln gewichen ist.

TIPP:
Auch wenn dies für viele Refis die unangenehmste Situation darstellt, ist die Nachbesprechung eine der wertvollsten Stunden der gesamten Ausbildung. Keine Seminarsitzung wird dich persönlich vermutlich so viel weiterbringen, wie diese individuelle Rückmeldung. Oft sind es ganz kleine Planungsschritte, die eine große Auswirkung auf deine Stunde haben und dir vielleicht endlich zeigen, woran es an der einen oder anderen Stelle hakte. Vielleicht hat es dich die fehlende Motivation der SchülerInnen bereits längst vermuten lassen, doch nun weißt du aber endlich, woran es liegt. Diese Hilfe kann Gold wert sein! Nutze daher die Rückmeldung und versuche dich in deiner künftigen Planung darauf zu konzentrieren. Und vor allem beim nächsten Unterrichtsbesuch solltest du hierauf ein Augenmerk legen, da die Entwicklung der/s Refis für FachleiterInnen im Vordergrund steht. Und vergiss einmal die spätere Bewertung- für deine/n FachleiterIn befindest du dich im Lernprozess und sollst dich ruhig ausprobieren und Fehler machen.

Sorge 4: Meine SchülerInnen respektieren mich als Refi nicht
Viele ReferendarInnen haben die Angst, von den SchülerInnen nicht als vollwertige Lehrperson wahrgenommen zu werden. Die ständige Beratungssituation einerseits und die eigene Unsicherheit andererseits lassen ReferendarInnen manchmal an ihrer Akzeptanz zweifeln. Und je nach Standort oder Lerngruppe kann das Austesten der Grenzen dazu noch unterschiedlich stark sein. Viele ReferendarInnen versuchen daher zunächst mit übersteigerter Autorität Störungen vorzubeugen oder treten gar sehr zögerlich und unsicher vor der Lerngruppe auf.

TIPP:
Auch wenn du dich noch im Referendariat befindest, bist du für die Unterrichtsplanung, -ausführung und Benotung voll verantwortlich und besitzt den SchülerInnen gegenüber die gleiche Kompetenz wie erfahrene KollegInnen. Dies solltest du auch ausstrahlen und dich nicht verunsichern lassen. Sei dir dessen bewusst und versuche daher, bestimmt und zugewandt ein Lernklima zu schaffen, welches klare Strukturen vorgibt und gleichzeitig mit Freundlichkeit dafür sorgt, dass du eine positive Lehrer-Schüler-Beziehung aufbauen kannst.
Und vor allem bleib authentisch! Wenn Methoden oder Arbeitsformen nicht funktionieren, thematisiere dies gemeinsam mit deinen SchülerInnen und reflektiert die Stunde. Das Schülerfeedback ist eine wertvolle Hilfe für die eigene Professionalisierung und kann dich auf Stolperstellen hinweisen.

By the way: Sollte der Start mal nicht so gelaufen sein wie gewünscht, spule einen Gang zurück und suche das Gespräch zu deinen SchülerInnen, indem du noch einmal deine Erwartungen kommunizierst und ihre Wünsche und Bedürfnisse erfragst. SchülerInnen schätzen dies erfahrungsgemäß sehr und manchmal bringt dies bereits den Knoten zum Platzen.