Distanzlernen konkret

Überlegungen aus der Praxis

Wenn ich, einer meiner Kurse oder gar die ganze Schule ab sofort in Quarantäne müsste, was würde ich dann eigentlich ganz konkret tun?

Diese von mir an mich selbst gestellte Frage bildete die Initiation für diesen Beitrag.

Im letzten März, April und Mai mussten und konnten wir alle erste Erfahrungen mit dem Distanzlernen sammeln, uns im besten Fall darüber austauschen und reflektieren. So sind mittlerweile Handreichungen der Landesregierung NRW entstanden (verlinke ich u. a. am Ende des Beitrages), die Hilfe sowie Orientierung bieten und auch Verlage haben bereits Werke zum hybriden Lernen oder Fernlernen veröffentlicht. Diese bieten insgesamt wichtige Impulse für den Distanzunterricht sowie hybride Unterrichtskonzepte. Darüber hinaus entwickeln Schulen (individuelle) Konzepte für das Lernen auf Distanz, die bei einem erneuten Lockdown oder Quarantänemaßnahmen zum Tragen kommen sollen. Doch die folgende Frage wird für mich individuell, meine Situation und meinen Unterricht beantwortet werden müssen:

Wie würde ich meinen Unterricht von heute auf morgen umstellen, d. h. planen, organisieren und durchführen, wenn für einzelne Kurse oder gar die ganze Schule Distanzlernen (bzw. nun rechtlich als Distanzunterricht zu bezeichnen) eingerichtet werden müsste? Im Anschluss einige Überlegungen dazu inkl. Fazit.

Disclaimer: Schulen, Ausstattungen, Lernende und Lehrende sind natürlich verschieden. Deshalb sind die folgenden Aspekte – wie immer – nicht als absolut oder abgeschlossen zu verstehen.

  1. Kommunikation sicherstellen

Damit alle Lernende aus Klassen und Kursen erreicht werden können, sollten mindestens entsprechende Telefonlisten oder E-Mail-Listen vorliegen. Da davon auszugehen ist, dass (fast) jeder in einer weiterführenden Schule ein Handy besitzt (vgl. JIM-Studie), kann für den Notfall eine gemeinsame Gruppe – entwender in einem Lernmanagement-System, über einen anderen (sicheren) Messenger-Dienst oder ein digitales Tool – eingerichtet werden. Diese Kommunikationskanäle können bereits eingerichtet werden, bevor es zum Distanzunterricht kommt und der Umgang damit kann geübt werden, sodass eine Umstellung auf Distanzkommunikation reibungslos funktioniert.

Im Vorfeld werden beispielsweise für diesen Kommunikationskanal Absprachen zu folgenden Fragen geklärt:

  • Wann und wie oft soll der Kanal abgerufen werden?
  • In welchem Zeitfenster oder bis wann ist man als Lehrperson grundsätzlich erreichbar?
  • Wie und wo werden Aufgaben und Termine notiert (Abgabe von Aufgaben, für videobasierten Unterricht)?
  • etc.

Möglich mit: E-Mail (Verteiler), Messenger-Dienste (Telefon), schulinternes Lernmanagementsystem

2. Transparenz in Bezug auf den Unterricht herstellen

Für die eigene Planung, aber auch als Herstellung von Transparenz und Motivation können Lerninhalte und Kompetenzen, die innerhalb einer Reihe erworben werden sollen, in einem Kanban Board festgehalten werden. Diese Lerninhalte und Kompetenzen werden im Fortlauf der Reihe in die entsprechenden Spalten verschoben, sodass jeder im Kurs sehen kann, was schon geschafft wurde, woran gearbeitet wird und was noch zu erledigen ist. Einzelne Karten auf einem Board können auch mit weiteren Links, Bildern, Dateien, Aufgaben etc. versehen werden.

Möglich mit: Trello, Padlet, CryptPad

3. Aufgabenauswahl vornehmen

Ist geklärt, wo Aufgaben kommuniziert werden, müssen von Lehrenden Entscheidungen darüber getroffen werden, welche Aufgaben konkret im Unterricht eingesetzt werden. Bei diesen Überlegungen spielen unterschiedliche Faktoren eine Rolle: Die Aufgabe sollte u. a. unten den Distanzbedingungen organisatorisch, zeitlich sowie vom Anforderungsniveau angemessen sein. Weiterhin ist im Vorfeld zu bedenken, was mit den Ergebnissen passieren soll: Werden diese z. B. in einer Videokonferenz präsentiert, selbst oder durch die Lehrkraft kontrolliert? Hier gilt es natürlich auch zu berücksichtigen, dass die eigene Zeit (als Lehrkraft) begrenzt ist.

Wichtig erscheint bei der Auswahl jeglicher Aufgaben im Distanzunterricht die Herstellung von inhaltlicher Klarheit. Die Aufgaben so zu formulieren, dass verständlich ist, was mit welchen Mitteln mit wem bis wann zu tun ist, trägt dazu bei, dass Ziele klar erreicht werden können und Ergebnisse eine höhere Qualität aufweisen. Dazu zählt auch die Transperenz der Kriterien, die es in Bezug auf ein zu erstellendes Lernprodukt zu erfüllen gilt. Eine Möglichkeit, Rückfragen zu den Aufgaben zu stellen (im Verlauf des Beitrages mehr dazu), hilft es, Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Aufgabe abzubauen oder auszuräumen.

3. Lernvideos sichten oder aufnehmen

Neue Lerninhalte können u. a. mit Lernvideos vermittelt werden. Diese kann man selbst erstellen, es existieren aber auch schon viele Lernvideos (in Netz), die sich für einen Unterrichtseinsatz eignen. Eine Suche bei Videoplattformen (z. B. YouTube) lohnt sich m. E. bestimmt.

Hier geht es zu einem Beitrag dazu, wie man Videos selbst erstellen kann.

3. Mit Wochenplänen oder Projekten arbeiten

Asynchrone Arbeit wird durch die Arbeit an einem Wochenplan oder einem Projekt möglich. Die Ergebnisse könnten im videobasiertem Unterricht präsentiert werden. Eine Vereinabrung darüber, wie sich Lernende Hilfe/Beratung einholen können, ermöglicht es, Aufgaben und Projekte erfolgreich zu bewältigen.

Praxisratgeber zur Umsetzung von Projektunterricht gibt es zum Beispiel von Anna Klein & Jan-Martin Klinge (einfach mal in der Suchmaschine eingeben).

4. Kollaboratives Arbeiten ermöglichen

Partner- oder Gruppenarbeiten sind auch von zuhause mifhilfe von digitalen Tools möglich. Dabei arbeiten mindestens zwei Personen an einem kollaborativen Produkt. Damit die Erarbeitung möglichst reibungslos funktioniert, ist es sinnvoll, die Lernenden früh mit den verwendeten Tools vertraut zu machen, die kollaboratives Arbeiten auch asynchron ermöglichen. Hier geht es zu einem Artikel, in dem erläutert wird, wie ich im Präsenzunterricht kollaboratives Arbeiten mit einer Klasse 9 geübt habe.

Möglich mit: MS 365, Google Drive, Apple-Anwendungen, Padlet, Etherpads, CryptPad etc.

5. Videobasierten Unterricht und Breakout-Räume einsetzen

Gibt es eine Möglichkeit, videobasierten Unterricht durchzuführen, so sollten die Termine dafür frühzeitig kommuniziert werden. Sinnvoll kann es auch sein, gemeinsam (in der Schule, durch eine Übung mit dem Kurs von zuhause, durch einen schulübergreifenden Distanzlerntag) zu üben, wie man sich in die Systeme einloggt, wie man mit der Technik umgeht oder seinen Bildschirm teilt.

Sind Termine mit einer Klasse oder einem Kurs festgelegt, könnte den Lernenden im Zusammenhang mit der Unterrichtsplanung mitgeteilt werden, was im videobasierten Unterricht einer bestimmten Woche/eines Tages passieren wird: Sollen Ergebnisse präsentiert werden, werden Fragen geklärt, sollen kleine Diskussionsfragen vorbereitet werden etc. ? Die Möglichkeit, innerhalb einer Videokonferenz Untergruppen zu bilden (sogenannte Breakout-Rooms) ermöglicht weitere Unterrichtsformen, z. B. Gruppenarbeit (in der etwas erarbeitet, präsentiert oder diskutiert wird).

6. Fragen klären und Beratung ermöglichen

Vor allem beim Distanzlernen und asynchronen Unterrichtskonzepten werden sich Fragen bei den Lernenden ergeben, die nicht immer unmittelbar beantwortet werden können. Insofern können verschiedene Möglichkeiten dazu beitragen, diesen Fragen einen Raum zu geben, um sie zu klären. Dazu zählen m. E. (als Ideen)

  • Schülerkommentare unter Aufgaben zu ermöglichen (auf die eine Lehrkraft antwortet),
  • einen zentralen digitalen Ort für Fragen (eines Kurses) bereitstellen,
  • eine Sprechstunde für Fragen einrichten,
  • bei videobasiertem Unterricht genug Zeit für Fragen lassen,
  • zu bestimmten Zeiten über einen Chat erreichbar sein
  • etc.

Möglich mit: Persönlichem Lernmanagementsystem, Videokonferenztools etc.

7. Portfolioarbeit nutzen

Der Einsatz von (digitalen) Portfolios ist eine Möglichkeit, den Lernprozess sowie dessen Reflexion individuell – auch über Distanzen hinweg – zu begleiten. Zu Portfolios gibt es mittlerweile nicht nur sehr viele Handreichungen, sondern auch digitale Tools, diese anzufertigen.

Möglich mit: digitalen Schreibdokumenten jeglicher Art, Seesaw, Book Creator etc.

8. Transparenz über Inhalte und Kompetenzen für Leistungsüberprüfungen herstellen

Veränderte Unterrichtsbedingungen erfordern m. E. grundsätzlich veränderte Leistungsüberprüfungsformen (hier ein Artikel dazu). So oder so wird es von den Lernenden wahrscheinlich als hilfreich empfunden, Anforderungen für Leistungsüberprüfungen digital festzuhalten und transparent zu machen.

Möglich mit: Lernmanagementsystem, MS 365, Apple-Anwendungen, Google Drive, CryptPad, Padlet etc.

Fazit

Die Umstellung auf oder Integration von Distanzunterricht kann schon gut in Präsenzlernphasen vorbereitet werden. Der Umschwung von Präsenz- auf Distanzunterricht fällt sicherlich leichter, wenn die Möglichkeit besteht, Tools im Präsenzunterricht bereits vorzustellen, zu nutzen und den Umgang damit systematisch einzuüben. Hier spielen natürlich auch übergreifende schulische Konzepte und rechtliche Vorgaben eine wichtige Rolle.

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Photo by Emma Matthews Digital Content Production on Unsplash.

Quellen:

Dreier/Krommer/Nölte/Schmitz (2020): Zeitgemäße Prüfungsformate für den Distanzunterricht (am Beispiel des Faches Deutsch in NRW). Hier einsehbar. [eingesehen am 24.10.2020]

Klee/Krommer/Wampfler (2020): Impulse für das Lernen auf Distanz. Online hier verfügbar. [erneut eingesehen am 24.09.20]

MSB (2020): Handreichung für lernförderliche Verknüpfung und Präsenz- und DIstanzunterricht. Online hier verfügbar [eingesehen am 28.09.2020]

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