Kollaboratives Arbeiten üben

Ein Beispiel aus der Praxis

Wie kann Kollaboration mit den Schülerinnen und Schülern geübt werden?

Ausgehend von der Überzeugung, dass Lernende Übung und Anleitung im kollaborativen Arbeiten benötigen, wie es auch Herr Meier in seinem Artikel beschreibt und fordert, habe ich die Präsenzlernphase mit einer Klasse 9 dazu genutzt, eine solche Übung mit den Schülerinnen und Schülern durchzuführen. Erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten können so hoffentlich auch für den Distanzunterricht genutzt werden. Im Folgenden könnt ihr die Voraussetzungen, das Vorgehen und eine kurze Reflexion zu der Stunde nachlesen.

Voraussetzungen

Technik

Alle Schülerinnen und Schüler haben Zugang zu einem individuellen Office-365-Account, der auch Teams, Word und Power Point umfasst. Einige Schülerinnen und Schüler besitzen Tablets, darüber hinaus stehen in der Schule Laptops zum Ausleihen zur Verfügung. In der Schule gibt es flächendeckendes WLAN, in das sich die Schülerinnen und Schüler von jedem Endgerät aus mit einem Code (wird durch Lehrkraft für Einzel- oder Doppelstunden ausgeteilt) einloggen können. Die Codes laufen automatisch nach entweder 45 oder 95 Minuten (90 + 5 Minuten Pause) ab, sodass die Lernenden dann keinen Zugriff mehr auf das WLAN haben, bis sie einen neuen Code bekommen.

Lernende

Auch wenn es sich bei den Lernenden um digital natives handelt, wurde durch eine informelle Diagnose deutlich, dass Übung in der Handhabung und Nutzung der Programme von Office 365 notwendig ist. Da für die im Anschluss skizzierte Unterrichtsstunde Teams und Word eingesetzt wurden, spielten u.a. folgende Fragestellungen eine Rolle:

  • in Bezug auf Teams: Was ist der Unterschied zwischen der Erstellung eines Kanals und der Erstellung eines Chats? Welche Funktionen erfüllen Kanäle und Chats? Wie erstelle ich einen Gruppenchat? Was kann ich alles (wie) in diesen Gruppenchat posten?
  • in Bezug auf Word: Wie erstelle ich ein Word-Dokument und wie benenne ich es sinnvoll? Welche Ablage- und Ordnungssysteme sind sinnvoll? Wie teile ich Dateien mit anderen? Wie bearbeite ich Dateien mit anderen?

Deutlich gemacht wurde (von mir) zunächst, dass Teams primär als Kommunikations- und Organisationsinstrument dient und Word (und auch Power Point) die Datei bereitstellt, mit der (in kollaborativer Arbeit) ein Endprodukt (z. B. ein Handout, ein Protokoll, eine Broschüre eine Präsentation) zu einer bestimmten Aufgabe/Fragegestellung hergestellt werden kann.

Da es in diesem Beitrag nicht primär um die Programme an sich, sondern um das Anleitungs- und Übungsvorgehen gehen soll, werde ich in diesem Beitrag nicht weiter auf die einzelnen technischen Details von Teams, Word, Power Point o.ä. eingehen. Gute Einführungen dazu findet ihr beispielsweise bei YouTube, ich verlinke euch einen – meiner Meinugn nach – guten Kanal hier.

Zeit und Organisation

Für die Übung wurde insgesamt eine Doppelstunde (90 Minuten) eingeplant. Die Teilgruppe der Klasse bestand aufgrund von Hygienschutzbestimmungen aus zehn Lernenden, sodass ich die Stunde insgesamt dreimal hintereinander mit jeweils zehn Schülerinnen und Schülern durchgeführt habe. Dies war insofern hilfreich, als dass ich die von mir erstellten Arbeitsaufträge im Verlauf der Stunden justieren, den Stundenverlauf verbessern/anpassen und Probleme der Lernenden antizipieren, somit auch besser vorentlasten und darauf eingehen konnte. Zudem war die Unterstützung in Bezug auf technische Probleme bei der Anzahl der Lernenden gut möglich.

Vorgehen

Das Vorgehen wird in 14 Schritten dargelegt. Diese sollte nicht als allgemeingültige Anleitung verstanden werden, Unterricht muss natürlich an die jeweiligen Voraussetzungen, die vorliegen, angepasst werden. Für mich hat diese Vorgehensweise für die Voraussetzungen, die in meiner Klasse vorlagen und die ich beschrieben habe, funktioniert. Die Zeit von 90 Minuten war hier allerdings knapp bemessen, konnte aufgrund des Stundenplanes aber leider nicht verändert werden. Man könnte durchaus eine weitere Stunde für alles einplanen.

Schritt 1: Ausstattung der Lernenden mit individuellen Geräten (sofern sie kein eigenes Gerät haben), Einloggen ins WLAN sowie Einloggen in den individuellen Office-365-Account (im Speziellen: Teams und Word)

Schritt 2: Erläuterung des Ziels (Einüben des kollaborativen Arbeitens anhand einer Aufgabe)

Schritt 3: Klärung des Begriffes bzw. der Frage : Was umfasst Kollaboration? (Vorwissen, Gespräch, Tafel/Infografik)

Kollaboration – Infografik (oder als Tafelbild)

Falls ihr die Infografik für gut und nützlich haltet, steht sie euch zum Download frei zur Verfügung – einfach auf den ,Herunterladen’-Button klicken. Ihr könnt sie euch dort auch näher anschauen, da die schwarze Schrift auf dem Bild nicht optimal zu lesen ist.

Schritt 4: Erläuterung des konkreten Arbeitsauftrages (siehe weiter unten)

Schritt 5: Wie erstellt man kollaborativ ein Produkt? (Sammlung von Ideen, Beginn des kollaborativen Gruppenprozesses (Schritte 6, 7, 8), Sicherung an Tafel – siehe Bild weiter unten im Beitrag, dort ist das Tafelbild schon vollständig)

Schritt 6: Selbstständige Gruppeneinteilung durch die Schülerinnen und Schüler (3-5 Personen pro Gruppe)

Schritt 7: Erstellung einer Kommunikationsgruppe (bei Teams). Die Kommuniktaionsgruppe wurde bei Teams durch die Schülerinnen und Schüler erstellt, ich wurde in die jeweiligen Gruppen – zwecks Hilfestellungen und Monitoring und auch nur für diesen Übungszweck – aufgenommen und konnte so die Entwicklung der Arbeit verfolgen.

Schritt 8: Erstellung eines Word-Dokumentes, das durch einen Link in der Gruppe geteilt wird. Das Erstellen eines Dokumentes und das Teilen erfolgte durch mich, sodass ich den Lernenden diesen Schritt am Bildschirm zeigen konnte.

Schritt 9: Gemeinsame Überprüfung, ob jeder in das Dokument schreiben kann oder ob es weitere technische Probleme gibt.

Schritt 10: Beginn der kollaborativen Gruppenarbeit: Unterstützung während des Prozesses nur, falls notwendig und angefragt, Timer über Classroomscreen, Zeitmonitoring (ca. 40 Minuten)

Schritt 11: Präsentation der Ergebnisse, Feedback und Vergleich

Schritt 12: Thematisierung von Erfahrungen und wahrgenommenen Schwierigkeiten

Schritt 13: Ergänzung von durchlaufenden Schritten zur Kollaboration: Wie erstellt man kollaborativ ein Produkt?, Strukturierung des Gesprächs durch die Lehrkraft (Vervollständigung des Tafelbildes)

Mögliches Tafelbild

Schritt 14: Gemeinsame Reflexion, z. B. Wurde das Produkt in der Gruppe wirklich kollaborativ erstellt? Wie beurteilt ihr die Nützlichkeit des kollaborativen Arbeitens und der Übung?

Arbeitsauftrag

Bei der Erstellung des Arbeitsauftrages zur Einübung des kollaborativen Arbeitens habe ich mich an folgenden Aspekten orientiert:

  • Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler, interessantes Problem
  • Materialsteuerung durch Lernende individuell möglich (Recherche)
  • Initiation von kreativen Prozessen, vielfältige Lösungen möglich
  • Spaßfaktor
  • fächerübergreifend

Konkreter Arbeitsauftrag

Ein Textilhersteller aus Deutschland möchte seine ,,Trendmasken” mit Hilfe von Influencern verkaufen. Dazu sucht er Social-Media-Experten, die ihn bei der Auswahl von Influencern und einer Verkaufsstrategie beraten. Sein Marketing-Budget liegt bei 10.000 Euro und er möchte die Masken für 20 Euro verkaufen.

Dein Team und du seid Experten in einer Beratungsagentur. Ihr arbeitet eine passenende Strategie aus, indem ihr einen passenden Influencer für seine Masken sucht und ein mögliches Werbevorgehen skizziert. Dazu stellt ihr gemeinsam ein Handout her, auf dem ihr eure Ergebnisse strukturiert präsentiert. (Das Handout könnte für einen Pitch genutzt werden.)

Anmerkung zum Arbeitsautrag: Dies ist inhaltlich ein komplexer Arbeitsauftrag, an dem man – unter verschiedenen Gesichtpunkten – lange arbeiten könnte. Es ging an dieser Stelle jedoch primär darum, das kollaborative Arbeitsverfahren zu üben, weshalb zu erwarten war, dass Aufgaben nicht vollständig beendet werden konnten oder inhaltlich Potential zu einer Ausdifferenzierung zeigten. Die Lernenden haben die Aufgabe insgesamt sehr motiviert und gern bearbeitet, selbst innerhalb der kurzen Zeit konnte ein Handout mit ersten (Zwischen)Ergebnissen gemeinsam erstellt werden. Alle Gruppen hatten am Ende der Bearbeitungszeit ein bearbeitetes Dokument vorliegen.

Kurze Reflexion

Auffällig war, dass bei der Arbeit in Gruppen viele Lernende zunächst in alte Zuordnungsmuster verfielen: ,,Du schreibst – ich diktiere”. So habe ich vermehrt darauf hingewiesen, dass alle Personen gleichzeitig an einem Dokument (zu gleichen oder unterschiedlichen Zeiten) arbeiten können und auch Feedback zu den bereits geschriebenen Teilen gegeben werden soll. Die Verwunderung einiger darüber, dass, wenn Person 1 etwas schreibt, alle anderen im Team das dann auch wirklich auf ihren Bildschirm sehen können, zeigt mir, dass Lernende an neue (kollaborative) Arbeitsformen schrittweise herangeführt und diese auch unter Anleitung ausprobieren mussen.

Negativ angemerkt haben einige Schülerinnen und Schüler, dass die Aktualisierung einzelner Bildschirme nicht immer gleich war (Ladezeit, Empfang der Geräte), was natürlich als hinderlich empfunden wurde. Alles in allem standen die Lernenden am Ende der Stunde dem kollaborativen Arbeiten jedoch positiv gegenüber. Abschließend beurteilten sie anhand der Merkmale von Kollaboration selbstständig, ob in der Gruppe auch wirklich Kollaboration stattgefunden hat. Sie diskutierten Möglichkeiten der Nutzung kollaboratives Arbeitens. Hier wurde dann auch sofort der Distanzunterricht angeführt. 

Kollaboratives Arbeiten ist komplex. Das schrittweise Führen durch die und Begleitung der Prozesse in Kombination mit dem selbstständigen Ausprobieren und einer Reflexion habe ich als gewinnbringend für alle empfunden.

Wie ging es weiter?

Als nächsten Schritt (neue Doppelstunde) sollten die Lernenden dann das Gelernte weiter vertiefen, indem eine neue Aufgabe (für die gleichen Gruppen) gestellt wurde, bei der eine kurze Präsentation mit Power Point hergestellt werden sollte. Die Anleitungen meinerseits wurden verringert, die Selbstverantwortung der Lernenden erhöht.

Als zusätzlicher Punkt kam hinzu, dass die Schülerinnen und Schüler nicht mündlich miteinander kommunizieren durften, sondern nur über den Chat (Teams), was auch überwiegend eingehalten wurde. So wurde die Übung für den Distanzunterricht weiter ausgebaut. Auch bei dieser Übung erstellte jede Gruppe ein Produkt, und alle Gruppen lieferten ein Ergebnis. Diese Ergebnisse waren unter Berücksichtigung aller Bedingungen qualitativ sowie quantitativ insgesamt als gut einzustufen. In der Zukunft soll das kollaborative Arbeiten im Unterricht ausgebaut werden.

(Unbezahlte Werbung)

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Photo by Annie Spratt on Unsplash