Das Praxissemester
Erfahrungen und Tipps
Dies ist ein Gastbeitrag von Nora, einer angehenden Referendarin aus NRW mit den Fächern Englisch und Französisch. Danke, Nora!
Das Praxissemester ist eine tolle Chance, sich kurz vor dem Referendariat ohne Bewertungsdruck auszuprobieren. Wenn es dann endlich in die Praxisphase geht, sind viele Studierende jedoch aufgeregt, fühlen sich unvorbereitet und der Aufgabe nicht gewachsen. Dabei wird oft vergessen, dass noch kein Lehrer und keine Lehrerin vom Himmel gefallen ist und dass auch niemand von den Studierenden erwartet, perfekte Unterrichtsstunden zu geben – weder die Ausbildungslehrer*innen noch die Schüler*innen oder die Fachleiter*innen. Für all diejenigen, die sich trotzdem Sorgen machen, hier ein paar Tipps, wie das Praxissemester zu einer stressfreien und lehrreichen Zeit werden kann:
Auch wenn die Schulen und alle Lehrer*innen wissen, dass ihr eine bestimmte Anzahl an Unterrichtsstunden geben müsst, solltet ihr die Initiative ergreifen. Fragt die Lehrer*innen, die ihr begleitet, wann der beste Zeitpunkt dafür ist, und bringt eure eigenen Ideen für den Unterricht mit. Niemand erwartet einen ausgereiften Unterrichtsentwurf, aber lasst euch von den Lehrern*innen nicht alles vorkauen.
In der Uni wird es häufig so dargestellt, als ob sich an der Schule niemand für Praxissemesterstudierende interessiere. Während meines PS habe ich allerdings eine andere Erfahrung gemacht: Schüler*innen unterscheiden kaum zwischen Studierenden, Referendar*innen und ausgebildeten Lehrern*innen. Ihr schlüpft also sofort in eure neue Rolle und seid sowohl Autoritätsperson als auch Vorbild. Aber keine Panik! Während des Praxissemesters seid ihr nie alleine mit Schüler*innen und habt immer Unterstützung von anderen Lehrer*innen- die zweite Gruppe Menschen, die tatsächlich an euch interessiert ist. Vorausgesetzt, ihr begegnet ihnen mit Neugierde, Offenheit und Engagement. Im besten Fall könnt ihr die Lehrer*innen im Unterricht entlasten und euch eine Menge von ihnen abgucken. Wer sich Mühe gibt und kooperiert, wird mit Sicherheit gerne einbezogen.
Das A und O während des Praxissemesters ist Organisation! Uni, Schule, Nebenjob und Privatleben unter einen Hut zu bekommen kann zugegebenermaßen schwierig sein. Gerade wenn ihr zur Schule oder Uni pendeln müsst, verliert ihr täglich viel Zeit. Warum diese Zeit nicht einfach zum Arbeiten nutzen? Seid euch außerdem von Anfang an bewusst, dass ihr i.d.R. vier Unterrichtsberatungen und ein Bilanz- und Perspektivgespräch führen müsst. Legt die Termine so früh wie möglich fest und richtet euch dabei nach den Lehrkräften, deren Unterricht ihr begleitet. Denkt daran, dass ihr die Klassen vor so einer UB am besten schon unterrichtet haben solltet – fragt die Lehrkräfte also frühzeitig, wann ihr den Unterricht übernehmen könnt. Vergesst aber neben all den aufregenden neuen Eindrücken in der Schule nicht, dass ihr die Forschungsberichte für die Uni verfassen müsst. Notiert euch in den ersten Wochen, was euch an der Schule besonders auffällt und startet dann rechtzeitig mit euren spezifischen Beobachtungen. Dabei kann ein und dasselbe Thema an unterschiedlichen Schulen sehr anders bearbeitet werden. Passt eure Forschung also an die Gegebenheiten an.
Der aufregendste Teil des Praxissemesters ist natürlich der erste eigene Unterricht. Um einen möglichst großen Lernzuwachs zu erzielen, würde ich empfehlen, euch nicht am Unterricht der eigenen Schulzeit, fertig erarbeiteten Stunden aus der Uni oder dem Internet zu orientieren bzw. diese sogar zu übernehmen. Es geht ja schließlich darum, den Welpenschutz zu nutzen und mit Ideen zu experimentieren, damit ihr euren eigenen Stil finden könnt. Ihr müsst das Rad natürlich nicht neu erfinden, aber kreative Ideen werden sowohl von den Schüler*innen als auch den Lehrer*innen wertgeschätzt. Besonders der Einsatz verschiedener Medien kann dabei helfen. Denn sein wir mal ehrlich: die veralteten Fotos aus vergilbten Lehrbüchern kann wirklich niemand mehr sehen und sie haben mit der Realität meistens sowieso nicht viel zu tun. Während meines Praxissemesters habe ich im Englischunterricht der EF eine Mini-Reihe zu Bewerbungen gemacht. Dabei habe ich für einen Unterrichtseinstieg auch Memes genutzt. Wenn man die Lebenswelt der Schüler*innen in den Klassenraum bringen kann, ist es viel leichter, ihr Interesse zu wecken. Natürlich eignet sich nicht jedes Meme für den Einsatz im Unterricht und sollte auch nicht um des Meme willen eingesetzt werden. Ich möchte euch nur ermutigen, eurer Kreativität freien Lauf zu lassen.
Zwei Dinge, die beide mit Zeitmanagement zu tun haben, habe ich aus meinem ersten Unterricht gelernt:
1. (Kreativen) Unterricht vorzubereiten, ist eine völlig neue Aufgabe, die sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Während des Praxissemesters hat man noch die Zeit, perfektionistisch mitunter stundenlang eine einzige Stunde vorzubereiten – also genießt es und bastelt an euren Stunden, solange es nur so wenige sind.
2. Ich habe nach nur wenigen Stunden gemerkt, dass eine große Schwierigkeit darin besteht, die richtige Menge an Zeit für einzelne Aufgaben einzuplanen. Für den Notfall sollte man am besten immer einen Puffer oder eine Transferaufgabe für das Ende der Stunde bereithalten und auch an Dinge wie Differenzierung, z.B. in Form von Sprinteraufgaben, denken.
Zum Abschluss will ich euch noch einmal die Angst vor dem Praxissemester nehmen. Natürlich kann man Glück und Pech mit den Ausbildungsschulen haben. Aber wer engagiert und interessiert ist, wird auf jeden Fall viel lernen. Seid mutig und springt über euren Schatten. Zeigt Initiative und probiert euch aus – es kann euch ja nichts passieren.
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